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«Jubiläum: Zehn Jahre Schauhaus Grüningen»

Vor zehn Jahren entstand im Botanischen Garten Grüningen ein gläsernes Schauhaus, das Besucher seither zwischen Papaya- und Bananenpflanzen, Begonien, Farnen und Sukkulenten in die Welt subtropischer Pflanzen eintauchen lässt. Wir haben mit der Architektin Martina Wuest gesprochen.

Vier baumstammartige Pfeiler mit Rippen, die wie Äste strahlenförmig auskragen, spannen eine gläserne Klimahülle auf. Die mehrfach geknickte, transparente Dachfläche schwebt wie ein Blätterdach über den Besucherinnen und Besuchern des Botanischen Gartens Grüningen. Je nach Wettersituation ist das Schauhaus ausdrucksstark und expressiv oder verschmilzt mit der Umgebung und löst sich abhängig von der Lichtstimmung optisch beinahe im Garten auf. Den beiden Architekten Stephan Buehrer und Martina Wuest vom Architekturbüro idA buehrer wuest architekten ist mit dem innovativen Schauhaus, welches sich organischen in den alten Baumbestand einfügt, ein selbstbewusstes und gleichzeitig graziles Bauwerk gelungen, das die Grenzen zwischen Architektur und Natur ineinander verschwimmen lässt.

Die Idee dazu hatte Architektin Martina Wuest: «Im Botanischen Garten Grüningen steht eine Vielzahl beeindruckender Bäume. Uns war es wichtig, dass sich das neue Schauhaus harmonisch in den Kontext einfügt, ohne sich anzubiedern.» Unter anderem deshalb war für die beiden Architekten bald klar, dass sie für die Konstruktion kein Holz verwenden wollen. «Wir machen nicht Natur, sondern Architektur. Diese darf und soll sich von der Umgebung abheben», erklärt Wuest weiter. 

Das Schauhaus im Botanischen Garten Grüningen
(Bild: Markus Bertschi) 

Mut zur Innovation wurde belohnt
Rückblickend sagt Architektin Wuest: «Wir würden heute alles nochmals genauso machen.» «Aber», fügt Stephan Buehrer mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, «während wir damals den Mut hatten, uns einfach auf diese Herausforderung einzulassen, würden wir heute wahrscheinlich dreimal überlegen, ob so eine Konstruktion überhaupt möglich ist oder was unter Umständen alles schief gehen könnte.» Trotzdem – und da sind sich beide Architekten einig – ihr Mut wurde belohnt. 

Die grösste Herausforderung bestand darin, einen Raum aus Glas zu schaffen, der gleichzeitig die klimatischen Bedingungen erfüllt. Da das Schauhaus subtropische Pflanzen beherbergt, muss das Klima das ganze Jahr über konstant gehalten werden. Die Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung erfolgt zudem weitgehend natürlich. Sieben vertikale Lüftungselemente, die sich öffnen und schliessen lassen, sind Teil eines automatischen Systems, um die Luftzufuhr und den CO2-Haushalt zu regeln. Mit einem Windgerät wird die Luft zudem in Bewegung gehalten – eine weitere wichtige Bedingung, damit die Pflanzen gut gedeihen.

Dreieckige Sonnensegel über den Dachpaneelen sorgen ausserdem dafür, dass es im Schauhaus nicht zu heiss wird. Die Architekten Wuest und Buehrer haben sich zudem dazu entschieden, Spezialglas zu verwenden, das zur Energieeffizienz des Gebäudes beiträgt. Um im Winter die Wärme im Innenraum möglichst effektiv speichern zu können, wurden statt der bei Gewächshäusern üblichen Einfachverglasungen Verbund-Sicherheitsscheiben verwendet. Dabei kamen spezielle Folien zum Einsatz, damit dennoch so wenig UV-Licht wie möglich absorbiert wird.

Tropische Atmosphäre in Grünigen
(Bild: Markus Bertschi)

Höchste Präzision gefragt 
Kein Wunder, dass bei einer solch hochkomplexen Konstruktion auch der Bau des Schauhauses einigermassen abenteuerlich verlief. Nachdem das Betonfundament fertiggestellt war, wurden die in einer Werkstatt vorgefertigten 3,5 Tonnen schweren «Stämme» angeliefert und mit einem Autokran in Position gebracht. Sie umschliessen jeweils ein 100-Millimeter-Rohr, durch welches das Wasser von den Dachflächen abgeführt wird.  

Obschon alle Masse genau geplant, festgelegt und präzise in der Fabrik zugeschnitten wurden, stockte allen Beteiligten kurz der Atem, als die ersten Elemente nicht nur am Computer, sondern in Realität miteinander verbunden werden mussten. «Es war schön zu sehen, wie sehr die Auftraggeber an unsere Vision geglaubt und uns von Anfang an volle Freiheit gegeben haben. Ich denke, das hat sich letztlich für alle Beteiligten ausgezahlt», bilanziert Architekt Stephan Buehrer.

Schauhaus Grüningen: Ein hochkomplexer Bau
(Bild:Markus Bertschi)