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Kiefern: Omnipräsente Überlebenskünstler

Der Botanische Garten Grüningen hat die Kiefer, seine Arten und Zapfen zum Jahresthema 2022 erklärt. Das kommt nicht von ungefähr: Martin Salm, Leiter des Botanischen Gartens Grüningen, sammelt leidenschaftlich Kiefernzapfen aus aller Welt.

Die Kiefer ist mitunter die am häufigsten vorkommende Baumart auf der Nordhalbkugel. Das liegt vor allem an ihrer beeindruckenden Anpassungsfähigkeit an klimatisch herausfordernde Bedingungen. So kommen Kiefern selbst am Polarkreis oder in den Alpen auf 2’300 m ü. M. zurecht.

Die nördlichste Art ist die Pinus sylvestris, die in Norwegen beheimatet ist. Die südlichste Kiefer – die Pinus merkusii – findet sich auf der indonesischen Insel Sumatra in der Nähe des Äquators. Das wohl grösste Verbreitungsgebiet hat die auch bei uns einheimische Wald-Kiefer (Pinus sylvestris), die von Spanien über Mittel- und Nordeuropa durch Sibirien bis ins Amurgebiet – im östlichsten Russland und China – vorkommt.

Kiefer, pinus sylvestris
(Illustration: Karin Widmer)

Die Kiefer: Ein Pionierbaum

Aufgrund ihrer geringen Standortansprüche wird die Kiefer häufig zur Wiederaufforstung von Heiden, herabgewirtschafteten Wäldern oder auch nach Waldbränden eingesetzt. Das Holz der Wald-Kiefer ist sehr vielseitig nutzbar. Es wird insbesondere als Bau- und Konstruktionsholz eingesetzt, um daraus beispielsweise Dachlatten, Fenster, Türen oder Dielen zu fertigen. Auch Baumteer, Pech und Terpentinöl kann aus Kiefern-Holz hergestellt werden. In der Vergangenheit wurde das Harz der Kiefer zudem zur Herstellung von Lacken, Leimen, Pharmazeutika und Kosmetika verwendet.

Kiefer, pinus sylvestris, Ast mit Zapfen
(Illustration: Karin Widmer)

Heilende Wirkung der Kiefer

Die Wald-Kiefer schmückt nicht nur unsere Wälder und Gärten, ihr werden auch heilende Eigenschaften zugeschrieben. Bereits im antiken Griechenland wurde Kiefernöl als Hausmittel bei Geschwüren und Husten eingesetzt, da das ätherische Öl der Kiefer schleimlösend und auswurffördernd wirken soll. Das Terpentinöl, das nicht aus den Nadeln, sondern aus dem Harz von Kiefern gewonnen wird, wirkt zudem antiseptisch und krampflösend. Dadurch kommt die Kiefer bei verschiedenen Atemwegsproblemen wie Husten, Bronchitis, Halsschmerzen oder Heiserkeit zum Einsatz.

Zapfen ist nicht gleich Zapfen

Zapfen von Nadelbäumen werden vielfach über einen Kamm geschert und pauschal als «Tannzapfen» bezeichnet. Dabei gibt es grosse Unterschiede. So stehen Tannenzapfen aufrecht an den Zweigen des Nadelbaums, während die Zapfen der Fichte, Kiefer oder Lärche in der Regel mehr oder weniger herabhängen. Gemein haben sie, dass die weiblichen Zapfen Samen und die männlichen Zapfen Pollen enthalten. Während der Blüte der Zapfen öffnen sich diese, sodass die Pollen zu den Samen gelangen und befruchtet werden können. Sobald der Samen gereift ist, öffnen sich die Früchte wieder und geben den Samen frei. Ein weiterer wichtiger Unterschied: Tannzapfen fallen auch nach diesem Prozess nie ganz vom Baum. Die Zapfenspindel bleibt an der Tanne. Anders sieht es bei Fichten, Kiefern oder Lärchen aus. Sie werfen ihre Zapfen komplett ab.

Da Kiefern in einem weiten Spektrum klimatischer Bedingungen zuhause sind, gibt es auch bei den Kiefernzapfen grosse Unterschiede. So finden sich in subalpinen Regionen eher kleinere Zapfen wie etwa von der Pinus herrerae, Pinus monophylla oder Pinus edulis. In tropischen Hochlagen sind hingegen grössere Zapfen wie von der Pinus ayacahuite, Pinus devoniana oder Pinus maximartinezii anzutreffen. Die grössten Kiefernzapfen etwa von der Pinus coulteri, Pinus lambertiana oder Pinus sabiniana finden sich in den Tief- bis Mittellagen der mediterranen Subtropen Nordamerikas. Besonders spannend: Die Zapfengrösse ist nicht so sehr von den aktuellen Klimabedingungen abhängig, sondern ein Produkt einer jahrtausendelangen Evolution und von den vorherrschenden Standortbedingungen.