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Achtung, hungrig: Wenn Pflanzen auf die Jagd gehen

Sie tragen harmlos klingende Namen wie Sonnentau, Kannen- oder Schlauchpflanze, doch wenn sie zuschlagen, bleibt kein Fliegenbein verschont.

Fleischfressende Pflanzen sind ein Phänomen, das bereits den berühmten Naturforscher Charles Darwin staunen liess. Tatsächlich glaubten Menschen bis zu Darwins Zeit nicht, dass Pflanzen Tiere fressen können. Es widersprach der natürlichen Ordnung der Dinge. Über ein Jahrzehnt dauerte es, bis Darwin beweisen konnte, dass die Blätter einiger Pflanzen nicht nur gezielt Insekten und andere kleine Lebewesen fangen, sondern sie auch verdauen und die Nährstoffe aufnehmen.

Heute weiss man, warum die Karnivoren – auch insektivore Pflanzen genannt – das tun. Karnivoren wachsen auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis, wobei sie am häufigsten in den tropischen Gebieten Asiens anzutreffen sind. Wenige Arten wie Sonnentau, Fettkraut und Wasserschlauch sind auch in heimischen Gefilden zu finden. Diese Pflanzen sind vielfach in sauren Sümpfen oder Moorböden zu Hause, die arm an pflanzlichen Nährstoffen sind.

So kommen Karnivoren an ihre Opfer

Um den Nährstoffmangel auszugleichen, mussten sie alternative Nahrungsquellen finden. Ihre Taktik besteht darin, kleinste Lebewesen wie Insekten anzulocken, zu fangen und zu verzehren. Aufgrund der unterschiedlichen Lebensräume haben karnivore Pflanzen allerdings ganz verschiedene Methoden entwickelt, um das zu tun.

Zwergkrug (Grubenfalle), Cephalotus follicularis
(Illustratin: Karin Widmer)
  • Grubenfallen: Umgestaltete Blätter formen eine Art Trichter, dessen Rand mit süssem Nektar bedeckt ist. Duft- und Lichteffekte locken Beute3tiere an, die in die Schläuche fallen. Die glatte Innenfläche oder nach unten gerichtete Borsten verhindern das Entkommen, und die Insekten ertrinken in der Flüssigkeit im Inneren.
  • Klebefallen: An den Blättern dieser Pflanzen befinden sich Drüsen, die mit klebrigem Fangschleim bedeckt sind. Farbe und Lichtreflexion ziehen Beutetiere an, die vom Sekret bedeckt am Entkommen gehindert werden.
  • Klappfalle: Die Venusfliegenflle ist die bekannteste Klappfalle. Hier lösen kleine Borsten an der Innenseite der Fallen die Bewegung der Blätter aus, wenn ein Beutetier sie mehrmals in kurzer Zeit berührt. Nachdem die Falle vollständig geschlossen ist, füllt sie sich mit einer Verdauungsflüssigkeit, die das Opfer zersetzt.
  • Reusenfallen: Kleine Lebewesen gelangen in die schlitzförmigen Öffnungen der Y-förmigen Käfige und können sich nur in eine Richtung bewegen, da abwärts gerichtete Härchen den Rückweg verhindern. Im oberen Bereich der Käfige befindet sich eine Verdickung, die als Magen fungiert und die Beute zersetzt.
  • Saugfallen: Die Saugfallen funktionieren nur in Wasser oder feuchter Erde und fangen Beute durch Unterdruck, der das Opfer samt umgebendem Wasser in die Fangblasen zieht. Das Öffnen der Falle wird durch kleine Härchen an der Öffnung ausgelöst, sobald sie von einem Beutetier berührt werden. Das Opfer wird in den Innenraum der Falle gesaugt, wo es verdaut wird.

Venusfliegenfalle (Klappfalle), Dionea muscipula
(Illustration: Karin Widmer)

Fleischfresser für Zuhause

Fleischfressende Pflanzen sind nicht die einfachsten in der Haltung und Pflege. Sie erfordern viel Aufmerksamkeit und Zeit. Wer sich allerdings die Mühe macht, wird belohnt. Fleischfressende Pflanzen sind nämlich sehr nützlich im Haushalt, da sie störende Fruchtfliegen, Mücken und Fliegen fressen. Wenn man sie also strategisch klug zuhause platziert, fangen sie unerwünschte Insekten.

Die meisten Karnivoren bevorzugen einen hellen und lichtdurchfluteten Standort, idealerweise direkt am Fenster, um so viel Sonne wie möglich zu erhalten. Eine Ausnahme bildet das Fettkraut, das ursprünglich aus dem Dschungel stammt und kein direktes Sonnenlicht verträgt. Noch wichtiger als Sonnenlicht ist für fleischfressende Pflanzen eine hohe Luftfeuchtigkeit. Um diese zu erreichen, kann die Pflanze in ein Terrarium oder ein Minigewächshaus gestellt werden.

Zum Giessen sollte ausschliesslich kalkfreies, weiches und sauberes Wasser verwendet werden, wobei Regenwasser ideal ist. Fleischfressende Pflanzen sollten von unten bewässert werden und im Wasser stehen. Sobald sie das «alte» Wasser aufgesogen haben, kann etwa zwei Zentimeter hoch Wasser nachgegossen werden. auch die Auswahl des Substrats ist bei fleischfressenden Pflanzen wichitg. Am besten verwerndet man eine spezielle Karnivoren-Erde, die besonders nährstoffarm, feuchtigkeitsspeichernd und kalkfrei ist.

Obwohl es verlockend sein mag, sollte man fleischfressende Pflanzen nicht mit selbst gefangenen Mücken oder Fliegen füttern. Dies könnte die Pflanzhe eher überfordern als ihr helfen. Es ist ausreichend, wenn die Pflanze die Insekten fängt, die auf natürliche Weise in ihre Falle geraten.