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«ZüriBaum»: Das Reich der grünen Riesen

Die Schweizer Wäder sind das Zuhause von knapp 500 Millionen Bäumen. Im Botanischen Garten Grüningen sind viele in der Schweiz vertretenen Arten zuhause. Grund genut, dass sich bei unserem Jahresthema 2024 alles um den #ZüriBaum dreht.

In den dichten Wäldern der Schweiz herrscht eine beeindruckende Diversität. Ein Grund dafür sind die geringen Distanzen zwischen dem fruchtbaren Klima in den Wein- und Obstgärten in den Tälern und der kühlen Brise, welche um die majestätischen Berggipfel der Alpen weht. Diese markanten Höhenveränderungen bringen auch einen bemerkenswerten Artenreichtum in der Baumartenzusammensetzung des Schweizer Waldes mit sich. Von der Schwarzerle in den niedrigen Lagen bis hin zur Weisstanne und der mächtigen Fichte in den Höhenlagen – die Schweiz ist ein Kaleidoskop der Baumvielfalt (siehe Kasten).

Begegnungszone Wald

Die Waldfläche im Kanton Zürich beträgt 500 Quadratkilometer und somit nicht ganz ein Drittel der Gesamtfläche. Knapp die Hälfte des Zürcher Waldes gehört Bund, Kanton, Gemeinden und Waldkooperationen. Doch ungeachtet dessen, wem der Wald gehört: Der Wald im Kanton Zürich ist für alle frei betretbar. Dieses Privileg ist einem Gesetz geschuldet, das Waldeigentümer dazu verpflichtet, Menschen einen freien Zugang zur Natur zu gewähren. Damit sind die Wälder von Zürich nicht nur ein Naturschatz, sondern auch ein Ort der Begegnung.

In den Wäldern des Kantons Zürich, die wie grüne Inseln der Ruhe mitten in unserer hektischen Welt stehen, herrscht trotz ihrer Stärke und Widerstandsfähigkeit ein stetiger Kampf ums Überleben. In den letzten Jahren haben Stürme, Trockenheit und Borkenkäfer, besonders den Fichten im Flachland, stark zugesetzt. Diese Herausforderungen zeigen, dass unsere Wälder lebendige Wesen sind, die ständig auf die Veränderungen ihrer Umgebung reagieren. Und das schon seit jeher.

Nach der letzten Eiszeit wandelte sich das Zürcher Oberland dramatisch: Vom Rückzug des Linthgletschers geprägt, entwickelte sich aus einer tundraähnlichen Anfangsflora eine vielfältige Vegetation. Vor 12’000 Jahren begann mit der Erwärmung die Dominanz von Birken und Föhren, gefolgt von der Hasel. Später entstanden Eichenmischwälder mit Rottannen, die das heutige Waldgebiet kennzeichnen. Seit etwa 2’800 Jahren prägen Buche, Tannen, Ahorn und Eiche das Landschaftsbild, unterstützt von Sträuchern, die für die Tierwelt enorm wichtig sind. Zudem bereichern seit 500 Jahren eingeführte Pflanzen wie Sommerflieder und Kirschlorbeer die Flora, was den menschlichen Einfluss auf die Natur unterstreicht.

Rottanne, Picea abies, mit Zapfen
(Illustration: Karin Widmer)

Wald als Rohstofflieferant

Der Wald ist viel mehr als nur ein Anblick von Schönheit; er ist ein Ökosystem, das Leben unterstützt und erhält. Bedeckt er doch knapp ein Drittel der Fläche der Schweiz, beheimatet 53 verschiedene Baumarten und bietet Lebensraum für bis zu 30’000 Arten von Lebewesen – was 40 Prozent aller in der Schweiz vorkommenden Arten entspricht. Diese Zahlen unterstreichen die immense Bedeutung des Waldes für die Biodiversität und das ökologische Gleichgewicht. Ein Spaziergang durch die Schweizer Wälder ist deshalb auch eine Reise durch verschiedene Lebensräume, von sonnendurchfluteten Lichtungen bis hin zu geheimnisvollen, von Moos bedeckten Pfaden. Jeder Waldtyp hat seine eigene, einzigartige Atmosphäre und Geschichte. Die Wälder der Schweiz sind somit mehr als nur eine Ansammlung von Bäumen; sie sind komplexe Ökosysteme, die für das Wohlergehen unseres Planeten unerlässlich sind. Von den häufigsten Baumarten bis hin zu den verborgenen Schätzen der Urwälder bietet die Schweiz eine Welt voller Entdeckungen und Lektionen über die Bedeutung des Naturschutzes.

Elsbeerbaum, Sorbus torminalis
(Illustration: Karin Widmer)

Auch deshalb hat die Schweiz ein fortschrittliches Waldgesetz, das den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder gewährleistet. Mit Initiativen zur Einrichtung von Waldreservaten und Programmen zur Förderung der ökologischen Vernetzung setzt die Schweiz ein starkes Zeichen für den Umweltschutz.

Der Schweizer Wald – ein Meisterwerk
Mit einer Stammzahl von über 180 Millionen ist die Fichte, auch als «Rottanne» bekannt, weit verbreitet und mit einem Anteil von über einem Drittel mit Abstand die häufigste Baumart im Schweizer Wald. Das ergab eine Erhebung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Unter menschlichem Einfluss hat sich die Fichte, besonders in tieferen Lagen, über ihr natürliches Verbreitungsgebiet hinaus ausgebreitet. In den subalpinen Gebieten jedoch nahm der Anteil der Fichten, vor allem nach den ausgedehnten Kahlschlägen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und der anschliessenden natürlichen Ausbreitung der Lärche, in vielen Bereichen ab. Heute findet man die Fichte hauptsächlich in den Alpen, den Voralpen und im westlichen Jura. Nur selten kommt sie im Südtessin und in der Region um Genf vor.
 
Mit über 75 Millionen Stämmen ist die Buche ein weiteres Prunkstück der Schweizer Wälder. Sie prägt vor allem die tieferen Lagen und macht über 40 Prozent aller Laubbäume in der Schweiz aus. Sie steht allerdings auch stark im Wettbewerb und musste im Laufe der letzten Jahrhunderte aus wirtschaftlichen Gründen oft verschiedenen Nadelbaumarten, insbesondere der Fichte, Platz machen. Die Weisstanne bringt es auf über 60 Millionen Stämme in der Schweiz und ist gleichzeitig eine Hoffnungsträgerin. Inmitten der Herausforderungen durch Klimawandel und Schädlinge erweist sich die Weisstanne als wichtiges Element für resilientere Wälder. Ihre überlegene Trockenresistenz gegenüber Fichte und Kiefer, macht sie zu einer zunehmend gefragten Baumart. Langjährige Forschungen unterstreichen ihr Potenzial, Wälder an den Klimawandel anzupassen. Damit wird die Weisstanne zu einem Schlüsselelement in der Strategie, Wälder für zukünftige klimatische Bedingungen zu stärken.